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Inventar-Nr: 06883
Objekt: Transparent


Transparent "Erfurt 1970 Willy komm´ ans Fenster. Bei meiner 1. freien Wahl denke ich daran, Ihr auch?" und "Vor 20 Jahren 1. Hoffnung auf Deutschland einig Vaterland"

Das Transparent bzw. Schild wurde seit dem 23. Oktober 1989 mit wechselnden Aufschriften während der Friedlichen Revolution auf den Leipziger Montagsdemonstrationen getragen. Die Aufschriften auf der Pressspanplatte überstrich man dabei immer wieder mit weißer Farbe. Letztmalig hat man das Schild dann am 25. Februar 1990 auf der SPD-Wahlkundgebung zur Volkskammerwahl der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) auf dem Karl-Marx-Platz (heute Augustusplatz) getragen, als der Ehrenvorsitzende Willy Brandt vom Balkon des Opernhauses zu den zahlreich erschienenen Leipziger Bürgern gesprochen hat. Von dieser Kundgebung stammen auch die beiden schwarz gemalten fünf- und sechszeiligen Aufschriften "Erfurt 1970 Willy komm` ans Fenster Bei meiner 1. freien Wahl denke ich daran, Ihr auch?" (Vorderseite) und "Vor 20 Jahren 1. Hoffnung auf Deutschland einig Vaterland" (Rückseite). Der Gestalter des Schildes war - wie auch auf dem Schild vermerkt - ein Mitglied der SPD-Ortsgruppe Markranstädt. Mit Schrauben ist das Schild an einem Holzstiel befestigt. Ein rotes Plastikrohr, in das man den Holzstiel stecken konnte, diente dazu, das Schild höher zu halten. Die Aufschriften auf dem Schild erinnern an das erste Gipfeltreffen beider deutscher Staaten, zu dem sich Bundeskanzler Willy Brandt (1913-1992) und DDR-Ministerpräsident Willi Stoph (1914-1999) am 19. März 1970 in Erfurt trafen. Damals versammelten sich Tausende Menschen vor dem Tagungshotel Erfurter Hof und riefen "Willy Brandt ans Fenster!". Unter dem Jubel der Bevölkerung zeigte er sich dann auch. Obwohl die Volkspolizei und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) versuchten die Beifallsbekundungen zu verhindern, konnten sie den Massenansturm nicht verhindern. Mit dem damaligen Besuch Brandts verbanden die DDR-Bürger die Hoffnung auf bessere Zeiten. Obwohl Stoph die sofortige Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik als zwei voneinander unabhängigen souveränen Staaten forderte, bestand Brandt auf den "besonderen innerdeutschen Beziehungen", da die Deutsche Nation trotz der Teilung fortbestehen würde. Nach dem Treffen begann die Stasi mit ihren Ermittlungen und identifizierte die "Jubler" vor dem Erfurter Hof anhand von Filmaufnahmen und Fotos. Die ermittelten Personen wurden als "Staatsfeinde" eingestuft (vgl. weitere Wahltransparente).

In den Tagen vor den ersten freien, demokratischen und geheimen (und gleichzeitig letzten) Wahlen zur Volkskammer am 18. März 1990 kamen bundesdeutsche Spitzenpolitiker zur Wahlkampfunterstützung nach Leipzig. Neben Willy Brandt war am 13. März auch Helmut Schmidt (SPD) in der Stadt. Einen Tag später hielt Helmut Kohl (CDU) auf dem Karl-Marx-Platz eine Rede bei der Wahlkundgebung der "Allianz für Deutschland". Hans-Dietrich Genscher (FDP) versammelte am 16. März die Menschen auf dem Georgi-Dimitroff-Platz (heute Simsonplatz). Da die CDU die "Allianz für Deutschland" massiv mit Geld und Materialien unterstützte, wurde der Wahlkampf geprägt von CDU-Wahlwerbung. Nur wenige Tage vor der Wahl wurde Wolfgang Schnur, Spitzenkandidat des Demokratischen Aufbruchs und einer der aussichtsreichen Bewerber, als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) enttarnt. Kurt Masur hingegen kandidierte nicht für das Amt des Staatsoberhauptes, da der schmutzige Wahlkampf nichts mit dem Geist der Demonstrationen des Herbstes ´89 zu tun habe. Die Allianz gewann die erste freie Volkskammerwahl, während die zur Wahl angetretenen Bürgerrechtsgruppierungen, unter ihnen das "Neue Forum", die eigentlichen Verlierer der Wahl werden, sie blieben unter fünf Prozent.


Sammlung: Transparente
Datierung: ab 23.10.1989, 25.02.1990
Hersteller: Manfred Beer
Maße: Rohr: Länge: 111 cm;
Stab: Länge: 201 cm;
Schild: Länge: 100 cm; Breite: 75 cm
Material: Rohr: Kunststoff,
Stab: Holz,
Schild: Pressspan
Farbe: Rohr: rot,
Stab: hellbraun,
Aufschrift: rot, schwarz,
Anstrich: weiß,
Schild: braun
Verwendung: Protest und Demonstrationen










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