Objekt- und Fotodatenbank Online im Museum in der Runden Ecke



Inventar-Nr: 15799
Objekt: Postkarte


Postkarte "Gruss aus Leipzig (bei Nacht)"

Die vorliegende, fototechnisch hergestellte Postkarte ist ein satirisches Ausdrucksmittel, mit dem gegen die fortschreitende Umweltzerstörung in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), in diesem Fall am Beispiel Leipzig, protestiert wurde. Der Hintergrund der schwarz gestalteten Karte mit dem unverfänglichen Titel "GRUSS aus LEIPZIG (bei Nacht)" erschließt sich dem Betrachter aber erst auf dem zweiten Blick. In Kenntnis, dass es sich bei der Pleiße um einen Fluss handelt der durch Leipzig fließt und seit 1956 aufgrund seines Gestankes teilweise verrohrt und unterirdisch abgeleitet wurde, erklärt sich die Aufschrift "Die Pleiße (bei Tag und Nacht)". Der bisher unbekannte Urheber der Karte trug dazu bei auf die unhaltbare Umweltsituation in der Stadt aufmerksam zu machen. Im Rahmen der Umwelt-Protestaktion "Eine Hoffnung lernt gehen. Pleißepilgerweg 4. Juni 1989" fand das fotografisch vervielfältigte Motiv auch eine breite Öffentlichkeit (vgl. auch eine Postkarte zur Unterstützung der Friedensbibliothek).

Die täglich erfahrbaren ökologischen Missstände riefen in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre verstärkt Proteste in der DDR-Bevölkerung hervor. Vermehrt schrieben Bürger Eingaben oder organisierten sich in unabhängigen Umweltgruppen unter dem Dach der Kirche. Aufgrund des Allmachtsanspruches der SED war jedoch jedes persönliche, staatsunabhängige Engagement für ökologische Belange ein oppositioneller Akt und wurde unterdrückt. Eine öffentliche Diskussion über die augenscheinlichen Missstände ließ der SED-Staat nicht zu. Alle Daten über den Zustand der natürlichen Umwelt wurden streng geheim gehalten. Trotzdem erarbeiteten die Umweltgruppen Studien zur Umweltsituation, organisierten Aktionen wie die jährliche kirchliche Veranstaltung "Mobil ohne Auto" oder Baumpflanzungen. Dadurch wuchs ihre Kompetenz. Einige Basisgruppen versuchten bewusst, ökologische Themen zu politisieren. Die erste größere Aktion in Leipzig mit dieser Doppelfunktion war der Pleißemarsch am 5. Juni 1988, dem Weltumwelttag. Im Leipziger Raum war besonders die Arbeitsgruppe Umweltschutz beim Jugendpfarramt (AGU) aktiv. Das Christliche Umweltseminar Rötha (CUR) informierte und protestierte mit der DDR-weiten Aktion "1 Mark für Espenhain" über die gigantische Umweltverschmutzung südlich der Messestadt.


Sammlung: Sonstiges
Datierung: 1980er Jahre
Hersteller: unbekannt
Maße: Länge: 10,4 cm; Breite: 14,7 cm
Material: Fotopapier
Farbe: schwarz-weiß
Verwendung: Protest und Demonstrationen








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