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Inventar-Nr: 17457
Objekt: Lesezeichen


Lesezeichen "Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst?" vom Kongress und Kirchentag 1989 in Leipzig

Lesezeichen mit dem Thema "Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst" vom Kirchentag in Leipzig 1989. Es besteht aus einem zugeschnittenen und mehrfarbig bedruckten Vliesstoff. Der Kirche war es vom Staat erlaubt worden, auch öffentlich für den Kirchentag zu werben. Im Gegenzug sollte sie die oppositionellen Gruppen weitgehend ausgrenzen (vgl. verschiedene Werbemittel vom Kirchentag, beispielsweise ein Aufkleber, ein Handtuch, ein Abzeichen und einen Beutel). Mit Vliesstoff stellte man in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vorwiegend Weihnachts- und Osterdecken her. Der Textildruck wurde aber auch verwendet um beispielsweise für Propagandazwecke Wandkalender oder kleine Erinnerungstücher anzufertigen.

Vom 6. bis 9. Juli 1989 fand in Leipzig der Kirchentag der sächsischen Landeskirche statt. Auf Druck der SED hin verzichteten die Veranstalter bewusst auf politische Themen. Die Leipziger Oppositionsgruppen veranstalteten daher in der Lukaskirche einen Statt-Kirchentag, an dem etwa 2.500 Personen teilnahmen. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) registrierte mit besonderer Aufmerksamkeit das Geschehen auf dem Statt-Kirchentag. Nach dessen Ende und der Erarbeitung einer entsprechenden Auswertung sollten Maßnahmen gegen die Oppositionellen eingeleitet werden.

Während der offiziellen Kirchentags-Abschlussveranstaltung auf der Pferderennbahn Scheibenholz organisierten Basisgruppenmitglieder auch eine öffentliche Protestaktion. Sie entrollten Transparente mit den Aufschriften "Nicht noch mal! Wahlbetrug" und "Demokratie", letzteres auf deutsch und chinesisch. Damit wollten sie Solidarität mit der chinesischen Demokratiebewegung üben. Den Versuch, mit den Transparenten auf die Bühne zu gelangen, verhinderten jedoch kirchliche Ordnungskräfte. Es schlossen sich aber immer mehr Besucher der Aktion an und knüpften aus bunten Bändern ein dichtes Netz. Schließlich zogen etwa 800 bis 1.000 Personen auf die Straße und bewegten sich in Richtung Innenstadt. Die Sicherheitskräfte griffen wegen der anwesenden westlichen Journalisten und Gäste nicht direkt ein. Am Floßplatz entrissen jedoch Stasi-Mitarbeiter den Demonstranten das Transparent und zerrten es in eine Straßenbahn. Daraufhin blockierten diese aus Protest zeitweilig die Gleise. Von der Volkspolizei abgedrängt und der Kirchenleitung beeinflusst, beendeten die Demonstranten dann ihre Protestaktion mit einer spontanen Andacht in der Peterskirche. Im später veröffentlichten offiziellen Berichtsband vom Kirchentag fand die Demonstration für Demokratie keine Erwähnung.


Sammlung: Sonstiges
Datierung: 06.07.1989-09.07.1989
Hersteller: unbekannt
Maße: Breite: 69 mm; Länge: 150 mm
Material: Vlies
Farbe: Tuch: weiß,
Aufdruck: mehrfarbig
Verwendung: Erinnerung, Werbung








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