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Inventar-Nr: 17522
Objekt: Handzettel


Flugblatt mit dem Aufruf "Auch wir brauchen autorisierte Gesprächsrunden ..." der Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung

Mit diesem "Offenen Brief" reagierte die Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung (IAPPA) unmittelbar auf die staatliche Wahlfälschung vom 7. Mai 1989 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). In dem Schreiben wurde offen über den Verstoß der SED-Führung gegen die eigene Verfassung und das Wahlgesetz gesprochen und die Forderung an die Kirche gerichtet diesen Umstand nicht tatenlos hinzunehmen. Da durch die gefälschten Wahlergebnisse die von der SED verkündete "politisch-moralische Einheit" des Volkes zur Farce geworden sei und es in der DDR nur noch eine "Stabilität der Angst" gebe, die langsam zu weichen beginne wie die tatsächlichen Wahlergebnisse zeigten, legte die IAPPA in ihrem Brief einen Vorschlag zum Dialog vor, an dem alle gesellschaftlichen Kräfte, auch die Kirche und Opposition, beteiligt sein sollten. Erforderlich seien "autorisierte Gesprächsrunden [gemeint waren "Runde Tische"], bei denen in Offenheit und gegenseitigem Vertrauen ein aufrichtiger und verantwortungsvoller Dialog" geführt werden müsse, um zu einem "reformierten Wahlrecht" zu gelangen. Weitere Wahlen "nach dem alten Muster" würde man sich "nicht mehr gefallen lassen" (vgl. auch ein weiteres Protestschreiben). Der Text wurde auf einer Schreibmaschine erstellt und ohne Druckgenehmigung auf einer Maschine vervielfältigt (Schablonenabzug) und im Juli 1989 am Rande des offiziellen Kirchentages in Leipzig verteilt. Bereits im Vorfeld der Kommunalwahlen 1989 verbreitete die IAPPA einen Brief, in dem die Opposition aufgefordert wurde, sich mit eigenen Kandidaten an der Wahl zu beteiligen.

Am 7. Mai 1989 fand die von der SED mit großem agitatorischen Aufwand vorbereitete Kommunalwahl statt (vgl. auch die Kommunalwahl 1990). Den reibungslosen Ablauf versuchte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mit der Aktion "Symbol" abzusichern. Die SED-Führung in Berlin hatte damals die politische Erwartung ausgesprochen, dass das Ergebnis der Kommunalwahl nicht schlechter ausfallen dürfe als das der vorangegangenen Wahlen. Dieses Ziel war aber offenkundig nicht zu erreichen, wurde aber entlang der politischen Hierarchien als Aufforderung zur Wahlfälschung weitergegeben. So verteilte beispielsweise der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig Briefe mit konkreten Prozentsätzen, die abzurechnen waren. Mitglieder verschiedener Oppositionsgruppen organisierten in mehreren Orten der DDR die Kontrolle der Stimmenauszählung. Erstmals gelang es so, der SED-Führung Wahlbetrug nachzuweisen, die Diskrepanz zwischen den offiziellen Ergebnissen und den direkt ermittelten Zahlen wurden offensichtlich. Dennoch liefen alle Einsprüche gegen die Wahl ins Leere. Für viele DDR-Bürger brach damit die Illusion vom "Rechtsstaat DDR" zusammen.


Sammlung: Plakatsammlung
Datierung: 07.1989
Hersteller: Initiativkreis Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung
Maße: Länge: 29,7 cm; Breite: 21 cm
Material: Papier
Farbe: Aufdruck: schwarz,
Blatt: beige
Verwendung: Protest und Demonstrationen, Information









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