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Inventar-Nr: 17524
Objekt: Handzettel


Flugblatt "Ein Brief an Christen in der DDR und ihre Gemeindevertreter zu den Kommunalwahlen 1989" der Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung

Diesen "Brief" vom 8. Januar 1989 verbreiteten die Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung (IAPPA), die Friedenskreise der Bartholomäus- und der Golgathagemeinde Berlin und die Projektgruppe "Ökologie und Menschenrechte" der Arche Berlin-Brandenburg im Vorfeld der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). In dem sowohl an Christen als auch an Nichtchristen adressierten Schreiben, richteten sich die Basisgruppen an die Bevölkerung der DDR, um sie an die theoretische Möglichkeit zu erinnern, sich als Kandidaten für die Kommunalwahl aufstellen zu lassen. Sie riefen dazu auf, sich entsprechend dem Wahlgesetz in das Verfahren zum Vorschlag, der Prüfung und der Bestätigung der Kandidaten einzumischen. Der Brief wurde auf einer Schreibmaschine erstellt und auf einer Maschine vervielfältigt (Schablonenabzug). Unmittelbar nach der offensichtlichen Wahlfälschung durch die SED organisierte die Opposition zahlreiche Protestaktionen und Demonstrationen. Auch die IAPPA beteiligte sich daran und legte einen Vorschlag zum Dialog vor, der zu einer Reform des Wahlrechts führen sollte.

In der DDR gab es keine freien Wahlen. Die Kommunal- und Volkskammerwahlen besaßen aber eine wichtige Legitimationsfunktion für die "sozialistische Demokratie". Die stimmberechtigten Bürger konnten dabei nicht zwischen einzelnen Parteien oder Kandidaten wählen. Vielmehr sollte durch die Zustimmung zu den Kandidaten der Nationalen Front die Politik der SED und der mit ihr verbundenen Blockparteien und Massenorganisationen bestätigt werden. Ziel der Wahlen war ein "eindrucksvolles Bekenntnis" der Loyalität des Volkes zur Staatsführung. Dementsprechend wichtig war den Funktionären ein höchstmöglicher Prozentsatz der Wahlbeteiligung und der gültigen Stimmen für den Wahlvorschlag der Nationalen Front. Um diesen zu erreichen, schreckten sie nicht vor Fälschungen, Manipulationen und Repressionen zurück. Die Stimmabgabe wurde faktisch öffentlich durchgeführt, denn die Benutzung der Wahlkabine war verpönt. Im Volksmund hießen die Wahlen daher auch "Zettelfalten". Bei der Aufstellung der Kandidaten besaßen die Wähler nur ein theoretisches Mitbestimmungsrecht. Die Bürger durften laut Wahlgesetz sogar Anträge auf Streichung von der Wählerliste stellen oder neue Kandidatenvorschläge unterbreiten. Vor allem kirchliche Initiativen forderten im Vorfeld der Kommunalwahl 1989 dazu auf, diese Möglichkeiten offensiv zu nutzen. Sie stellten aber auch das Wahlsystem in Frage und riefen zur Kontrolle der Stimmenauszählung auf (vgl. dazu einen Aufruf).

Am 7. Mai 1989 fand die von der SED mit großem agitatorischen Aufwand vorbereitete Kommunalwahl statt. Den reibungslosen Ablauf versuchte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mit der Aktion "Symbol" abzusichern. Mitglieder verschiedener Oppositionsgruppen organisierten in mehreren Orten der DDR die Kontrolle der Stimmenauszählung. Erstmals gelang es so, der SED-Führung Wahlbetrug nachzuweisen, die Diskrepanz zwischen den offiziellen Ergebnissen und den direkt ermittelten Zahlen wurden offensichtlich. Dennoch liefen alle Einsprüche gegen die Wahl ins Leere. Für viele DDR-Bürger brach damit die Illusion vom "Rechtsstaat DDR" zusammen (vgl. auch die Kommunalwahl 1990).


Sammlung: Plakatsammlung
Datierung: 08.01.1989
Hersteller: Initiativkreis Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung
Maße: Länge: 29,7 cm; Breite: 21 cm
Material: Papier
Farbe: Aufdruck: schwarz,
Blatt: beige
Verwendung: Protest und Demonstrationen, Information









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