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Inventar-Nr: B02426
Objekt: Samisdat


Halbsamisdatschrift "Frieden wächst aus Gerechtigkeit"
Arbeitsmaterial für die Friedensdekade der Evangelischen Kirchen in der DDR 10. - 20. November 1985

Das vorliegende offizielle kirchliche Material, ein Vorbereitungsheft für die {link:link:w00187">Friedensdekade 1985 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), gehört zur so genannten "grauen" Literatur der Kirchen, für deren Herstellung keine staatliche Druckgenehmigung eingeholt wurde. Obwohl viele derartige kirchliche Arbeitmaterialien, die teilweise auch von oppositionellen Gruppen genutzt werden konnten, meist selbst Samisdatcharakter trugen, sind sie dem Halbsamisdat (nichtlizensierte Materialien) zuzuordnen. Das Arbeitsmaterial wurde in Vorbereitung der Friedensdekade, die 1985 unter dem Motto "Frieden wächst aus Gerechtigkeit" stand, von einer Vorbereitungsgruppe aus Vertretern dreier Kirchengruppen erarbeitet, auf einer Maschine vervielfältigt und vom Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR herausgegeben. Vor der Herausgabe legte man die Textsammlungen aber für gewöhnlich noch dem Staatssekretär für Kirchenfragen vor. Im Falle seines Einspruches aufgrund einer Beanstandung aus politischen Gründen wurden die Texte zumeist noch korrigiert. Auf dem Deckblatt der Materialsammlung ist das Symbol "Schwerter zu Pflugscharen" abgebildet, das von Anfang an das Kennzeichen der Friedensdekaden (seit 1980) und der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR war (vgl. auch das Material zur Friedensdekade 1983).

Obwohl das offizielle Arbeitsmaterial 1985 vorwiegend die Beschäftigung mit Fragen zur Abrüstung und dem Umgang mit den Entwicklungsländern ("Dritte-Welt"-Problematik) vorsah und Fragen zur Innenpolitik kaum thematisierte, wurden die Vorgaben in den durchgeführten Veranstaltungen zur Friedensdekade oft weit überschritten. In Ost-Berlin fanden beispielsweise vom Staat als "politisch-negativ" eingestufte kirchliche Veranstaltungen statt, auf denen gegen Menschenrechtsverletzungen in der DDR und die weitere Militarisierung der Gesellschaft protestiert wurde. In Leipzig fanden täglich von den Basisgruppen gestaltete Friedensgebete in der Nikolaikirche statt. Unter den politisch engagierten Vertretern der Opposition fiel dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) besonders Pfarrer Christoph Wonneberger von der Lukaskirchgemeinde auf. Der Begründer der Initiative Sozialer Friedensdienst bot beispielsweise der Gruppe "Frauen für den Frieden" die Möglichkeit Foren zu gestalten, in denen sie sich gegen die entmündigende und militärische Erziehung in Kindergarten und Schule wendete. Während der Friedensdekade war die Lukaskirche, die 1989 auch Schauplatz des "Statt-Kirchentag" war, rund um die Uhr offen.

Für die Herstellung der internen Kirchenschriften, die auf kircheneigenen Vervielfältigungsgeräten in Auflagen von zumeist nicht mehr als 2.000 Exemplaren gedruckt wurden, holte man keine staatliche Genehmigung ein. Dabei beriefen sich die Kirchen auf einen Paragrafen der staatlichen "Anordnung über das Genehmigungsverfahren für die Herstellung von Druck und Vervielfältigungserzeugnissen" vom 20. Juli 1959, nach dem innerkirchliche Publikationen ohne staatliche Genehmigung erscheinen und mit dem Vermerk "nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch" vervielfältigt werden durften (vgl. auch politischen Samisdat).


Sammlung: Samisdatschriften, kirchliche und Oppositionsblätt
Hersteller: Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR
Maße: Länge: 29,8 cm; Breite: 21,1 cm
Material: Heftklammer: Metall,
Heftblock: Papier
Farbe: Aufdruck: schwarz,
Heftblock: beige

Autor/Herausgeber: Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR
Vertreter der Konferenz der Kirchenleitungen
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR (AGCK)
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugend in der DDR (AGCJ)
Verlag: Eigenverl.
Erscheinungsjahr: 1985
Auflage: 1. Auflage
Umfang: 47 S. / 25 Blatt









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