Objekt- und Fotodatenbank Online im Museum in der Runden Ecke



Inventar-Nr: 16844
Objekt: Transparent


Transparent "Archive der Staatssicherheit in die Hände der Öffentlichkeit!" und "Bürokratie + Lüge = soz. Wettbewerb"

Das weiße Stofftransparent mit der rot gemalten vierzeiligen Aufschrift "Archive der Staatssicherheit in die Hände der Öffentlichkeit !" (Vorderseite) und der schwarz und rot gemalten zweizeiligen Aufschrift "Bürokratie + Lüge = soz. Wettbewerb" (Rückseite) stammt von einer Leipziger Montagsdemonstration während der Friedlichen Revolution 1989/90. Angefertigt wurde es vermutlich nach der Besetzung der "Runden Ecke", der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit (BVfS), durch Bürger am Abend des 4. Dezember 1989. In der Folgezeit dieses Ereignisses sollte der Umgang mit dem "Erbe" der Stasi, den vielen Karteien und Akten, auch auf den Demonstrationen ein bestimmendes Thema sein.

Kurz vor Beginn der Montagsdemonstration am 4. Dezember hatten mehrere Bürger den Einlass in die "Runde Ecke" erwirkt, um die seit Mitte November 1989 vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) exzessiv betriebene Aktenvernichtung zu stoppen. Als der 150.000 Menschen zählende Demonstrationszug kurze Zeit später die BVfS erreichte, teilten die Besetzer der Menschenmenge vom Balkon aus per Megafon mit, dass das Gebäude in der Hand der Bürgervertreter sei und ab sofort staatsanwaltschaftlich versiegelt werde. Noch in derselben Nacht konstituierte sich das Bürgerkomitee Leipzig, das in der folgenden Zeit direkt vor Ort die Auflösung der Staatssicherheit kontrollierte und sich für die "Rettung" der Akten einsetzte. Eilig ausgestellte Berechtigungsausweise sicherten den Angehörigen des Komitees den ungehinderten Zugang zu allen Stasi-Gebäuden und binnen einer Woche wurde die Bildung einer ersten Aktensichtungskommission beschlossen. Um die Gewaltlosigkeit zu bewahren, wurde noch vor der nächsten Montagsdemonstration (11. Dezember) am Balkon der "Runden Ecke" ein Transparent befestigt, das die Sicherung des Gebäudes durch das Bürgerkomitee signalisierte. Der Druck "von der Strasse" blieb jedoch bestehen, so dass den Bürgerrechtlern in den Verhandlungen mit der lokalen MfS-Obrigkeit ein gewichtiges Argument erhalten blieb. Nur zehn Tage nach der Besetzung der Stasidienststellen musste Ministerpräsident Hans Modrow die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) (das bereits umbenannte MfS) mitteilen. Stattdessen sollte zum Machterhalt ein Verfassungsschutz und ein Nachrichtendienst etabliert werden. Ein Schritt, der sofort Proteste hervorrief und in Leipzig nicht umsetzbar war. Auf Drängen des "Runden Tisches" wurde stattdessen ein staatliches Auflösungskomitee gebildet, das als Nachlassverwalter die praktische Abwicklung des MfS/AfNS leiten sollte. Fast die Hälfte der Komitee-Mitarbeiter waren aber ehemalige MfS-Mitarbeiter, was zu Auseinandersetzungen führte, da die Bürgerkomitees die MfS-Auflösung nicht diesem selber überlassen wollten. In jedem Bezirk der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gründeten sich Bezirksarbeitsstäbe des Komitees. Unter deren Obhut sollte alles aufgefundene Stasi-Schriftgut unter Kontrolle der Bürgerkomitees in "Bezirksdepots" gesichert werden. Nach der ersten freien Volkskammerwahl in der DDR am 18. März 1990 wurde das Komitee dem neu gewählten Innenminister Peter-Michael Diestel unterstellt, mit dessen Kenntnis auch weiterhin Stasi-Akten vernichtet wurden. So wies z.B. der damalige Leiter des Komitees zur Auflösung des AfNS, Günter Eichhorn, den Bezirksarbeitsstab Leipzig an, Akten und Dokumente der Abteilung XV (Aufklärung) nach Berlin zu überführen, um sie dort zu vernichten. Das Bürgerkomitee Leipzig verweigerte jedoch die Herausgabe.


Sammlung: Transparente
Datierung: 12.1989-03.1990
Hersteller: unbekannt
Maße: Länge: 51,5 cm; Breite: 143 cm
Material: Baumwolle
Farbe: Aufschrift: schwarz, rot,
Tuch: weiß
Verwendung: Protest und Demonstrationen









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